Grüner als
die Neustadt
Stadtschreiber Akos Doma lässt sich durch Dresden-Pieschen führen
Dresden. Eine moderne Gaunerkomödie, wie sie Dresdens aktueller Stadtschreiber
Akos Doma 2010 veröffentlichte, könnte auch im Dresdner Stadtteil
Pieschen spielen. Lebenskünstler aus dem Roman „Die allgemeine
Tauglichkeit“ gebe es auch im östlichen Stadtteil zur Genüge,
erzählt Jürgen Naumann. Der Journalist und Publizist lud
den Schriftsteller Doma am Dienstag zu einem Spaziergang durch das Viertel
ein, in dem beide leben und arbeiten. Während Doma sechs Monate das
Leben in Dresden literarisch beschreibt, thematisiert Naumann den Dresdner
Nordwesten in regelmäßigen Stadtteilführungen.
Bei dem Rundgang zeigte Naumann an etlichen Beispielen den vielschichtigen
Wandel des einstigen Dorfes. „Ab 1840 setzte hier die Industrialisierung
ein und Deutschlands erste Ferneisenbahn zwischen Leipzig und Dresden
trieb einen Keil durch das Viertel, der bis heute besteht“, erzählt
Neumann, der sich selbst intensiv mit der Historie auseinandergesetzt
hat. „Das Viertel war immer geprägt von Arbeitern, viele Großbetriebe
boten tausende Arbeitsplätze.“ Das Ende der DDR habe dann für
viele die Erwerbslosigkeit gebracht, was sich weiterhin auf die soziale
Struktur auswirkt.
Gut bürgerlich sei es nicht, aber ideal für junge Familien –
da grüner als die Neustadt.
„Und an der Elbe haben sie einen traumhaften Blick auf die Altstadt“,
sagt Naumann überzeugt. Doma gewährte er unter anderem Einblicke
in den Galvanohof, dem einstigen Sitz des VEB Galvano Dresden an der Bürgerstraße.
Dort hat der Verein Kreative Werkstatt Dresden seinen Sitz und bietet
beispielsweise Töpferkurse für Frauen an. „Wir treffen
uns hier jede Woche und arbeiten gemeinsam an neuen Werken“, berichtete
Renate Winkler, die sich bei dem Rundgang über die Schulter schauen
lies. In den Ausstellungsräumen des Vereins zeigte sich Doma von
Bildern der Künstlerin Priscilla Ann Siebert beeindruckt, die dort
bis zum 7. Oktober ihre Ausstellung „Grafik aller Art“ zeigt.
Im Vorderhaus bieten Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes im sozialen
Projekt „Mahlzeit“ günstige Mittagessen für einen
Euro an. „Wenn man daran vorbeigeht, kennt man die Hintergründe
nicht“, beschreibt Doma die Erkenntnisse des Rundgangs.
„Ich sauge das auf wie ein Schwamm.“ Ob er die Eindrücke
aus Pieschen niederschreibt, konnte er selbstverständlich nicht versprechen.
„Ich gehe für neue Geschichten nicht mit Vorsatz durch die
Straßen.“ Sein Buch und erste Eindrücke aus Dresden präsentiert
Domo am Mittwochabend bei einer Lesung in der Stadtteilbibliothek Pieschen.
Die Lesung beginnt um 19. 30 Uhr, der Eintritt ist kostenfrei.
Dominik Brüggemann, DNN-Online, 11.09.2012
Download |