Vom
Fischerdorf zum Arbeiterviertel
Reise durch die wechselhafte Geschichte von Pieschen
Jeden ersten Sonntag im Monat treffen sich am Pieschner Rathaus mit Wanderschuhen
ausgerüstet Neugierige. Zusammen mit dem Journalisten Peter Naumann
tauchen sie ab in die Geschichte des Stadtteils. Ihr Weg führt sie
vorbei am ältesten Gebäude Pieschens, einem von Architekt Erlwein
erbauten Gebäudekomplex, zur Hans-Richter-Siedlung, zum Hafen und
über die Oschatzer Straße zur Markuskirche.
Pieschen gab es bereits vor mehr als 1.000 Jahren. Jahrhundertelang lebten
die Einwohner der kleinen Siedlung von den Erträgen ihrer Felder
und den Fischen der Elbe. Auch Wein wurde in Pieschen angebaut. Die Rebstöcke
standen bis hoch zum Wilden Mann. Zusammen mit einer Taube finden sich
die Stöcke auch in dem Wappen des Stadtteils wieder.
Weinbau lockte Besucher in die Vorstadt-Lokale
Die Taube steht für den Wunsch der Einwohner nach Frieden, da sie
durch viele Kriege und ihrer Lage an der Strecke nach Leipzig oft durchziehende
Soldatentruppen ausgesetzt waren.
Durch den Weinbau entstanden auch viele Lokalitäten in dem beschaulichen
Ort. Für die Dresdner war Pieschen ein beliebtes Ausflugsziel. Vie
Ballhäuser standen den Vergnügungswilligen zur Verfügung.
Heute stehen davon noch das Watzke und ein Tanzsaal an der Leipziger Straße,
in dem heute im Casa Latina flotte Schritte vermittelt werden. Der ehemalige
Faunpalast stand lange leer und wurde zur Wohnung umgebaut.
Mit der Industrialisierung kam die Industrie in das beschauliche Bauerndorf
und setzte ihre Fabriken dorthin, wo bis dahin noch Rüben und Wein
angebaut wurden und friedlich Kühe weideten. Die Industrie kam mit
der Eisenbahn. Seit 1839 führt die Trasse durch Pieschen.
Mit den Fabriken kamen auch die Arbeiterwohnungen, die auch heute noch
in ihren langen Straßenzügen den Stadtteil prägen. Und
mit den Fabriken kamen auch zahllose Familien, um in den neuen Anlagen
ihr Glück zu machen. In rund 60 Jahren stieg die Einwohnerzahl von
347 auch 16.000. Doch der Lohn war gering, die Mieten hoch und die Wohnungen
winzig.
Die Betroffenen versuchten, auf ihre Lage aufmerksam zu machen und so
entwickelte sich Pieschen zu einer Hochburg der Sozialdemokraten und Rosa
Luxemburg beschrieb in einer Rede die Einwohner als die radikalsten Sozialdemokraten
von ganz Dresden.
Diese Entwicklung und viele Anekdoten schildert der Journalist Naumann
auf seinen Touren.
„Seit April diesen Jahres biete ich die Stadtteilführung an“,
sagt er stolz. Er ist ein begeisterter Pieschener, auch wenn er hier nicht
aufgewachsen ist.
„Ich kam vor einigen Jahren beruflich nach Übigau und so habe
ich auch Pieschen für mich entdeckt.“
Tour durchs Viertel einmal im Monat
Bis 2005 arbeitete er an der Trachauer Bürgerzeitung mit. Dann wurde
sie eingestellt.
„In der Zeitung stand viel Historisches und da habe ich überlegt,
was man stattdessen machen könnte“, erinnert er sich. So kam
Naumann auf die Idee der Führungen. Zuerst hatte er nur Mickten und
Übigau im Angebot. Nachdem Pieschen nun auch aufgenommen ist, denkt
er über eine zweite Tour durch diesen Stadtteil nach.
„Für eine Tour ist der Stoff eigentlich zuviel und die Strecken
zu weit“, erläutert Naumann. „Bei einer zweiten Tour
könnte ich auch den ehemaligen Standort der Pieschener Windmühle
zeigen.“ Die Mühle war lange das Wahrzeichen des Ortes.
Von ihr ist heute nichts mehr zu sehen. Nur die Hügel in einem Innenhof
am Leisniger Platz sind geblieben.
Termin: jeweils 1. Sonntag im Monat, 10:30 Uhr, nächster Termin:
7. Oktober
Dauer: ca. 90 Minuten
Treffpunkt: Barock-Restaurant „Sachsens Glanz“ im Pieschener
Rathaus, Leipziger Str. 63
Preis: 6 Euro, incl. Bratapfel und Getränk
Anmeldung: Telefon: 0351 848 90 72
PS Leider ist der Vorname falsch. Der Treff ist auch nicht Leipziger
Straße 63, sondern selbstverständlich die Bürgerstraße
63.
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